Tierkrankenversicherung – Was meint der Tierarzt

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Dr. Thomas Steidl betreibt seit rund 25 Jahren eine tierärztliche Fachpraxis in Tübingen. Der Veterinär ist außerdem in den Ausschüssen für Klein- und Heimtiere, sowie für Gebühren der Bundestierärztekammer tätig.

Veteri sprach mit dem erfahrenen Tierarzt über das Thema Tierkrankenversicherung.

  • Veteri: Die Tierversicherung hat – abgesehen von der in vielen Bundesländern bereits verpflichtenden Hundehaftpflichtversicherung für bestimmte Hunderassen – einen eher schlechten Ruf. „Die bezahlen sowieso nicht“, „Wenn mein Tier krank wird, kündigt mir der Anbieter ohnehin“ sind häufig geäußerte Aussagen. Ganz grundsätzlich gefragt: Macht eine Tierkrankenversicherung aus Ihrer Sicht Sinn?
  • Thomas Steidl: Grundsätzlich „ja“! Dass eine Tierkrankenversicherung einen schlechten Ruf hat, kann ich für mich so nicht bestätigen. Auch viele meiner Tierarzt-Kollegen sind pro Tierkrankenversicherung. Wenn ich in meiner Praxis auf dieses Thema angesprochen werden, nehme ich mir viel Zeit für die Beratung, denn ich bin davon überzeugt, dass eine Tierkrankenversicherung Sinn macht. Zumindest eine Hunde OP-Versicherung oder Katzen OP-Versicherung, um die Risikospitzen abzusichern. Aber pauschale Aussagen sind immer schwierig. Deshalb muss man sich den Einzellfall genau ansehen: Um welches Tier und um welche Rasse handelt es sich, hat es Vorerkrankungen oder Dispositionen, wie wird es gehalten – etc. Ich verkaufe niemandem eine Versicherung, davon hätte ich ja auch nichts. Aber ich kläre auf Nachfrage gerne darüber auf und versuche, gemeinsam mit dem Tierhalter eine gute Lösung zu finden.
  • Veteri: Warum sind die Deutschen, die ja eigentlich als Tierfreunde gelten und sehr viel Geld für ihre Haustiere ausgeben und darüber hinaus sehr versicherungsfreudig sind, genau in diesem Bereich Versicherungsmuffel? Haben Sie eine Vermutung oder Erklärung?
  • Thomas Steidl: Das stimmt, hierzulande tut man sich noch schwer mit dem Thema Tierkrankenversicherung. Nehmen Sie als Vergleich die Briten: Dort sind nahezu 100 Prozent der privat gehaltenen Hunde versichert! Wenn ich mir nur allein meine Praxis ansehe, haben nur etwa zehn bis 20 Prozent unserer Klienten eine Tierkrankenversicherung. Ich denke, diese Versicherungsunlust liegt an den „Katastrophenmeldungen“ aus dem Humanmedizinbereich. In England hat man ein ganz anderes Gesundheitssystem, dort ist man eher bereit, auch für sein Tier vorzusorgen.
  • Veteri: Wem würden Sie eine Tierkrankenversicherung, wem eine Hunde OP-Versicherung oder Katzen OP-Versicherung empfehlen?
  • Thomas Steidl: Wie gesagt, hier kann man nicht pauschalisieren. Als Basisschutz ist aus meiner Sicht aber mindestens eine Hunde OP-Versicherung oder Katzen OP-Versicherung angeraten. Diese ist günstiger als eine Tierkrankenversicherung und fängt zumindest die Risikospitzen ab. Jeder Tierhalter sollte genau überlegen, was für ihn und sein Tier in Frage kommt.
  • Veteri: Die einzelnen Tierkrankenversicherung unterscheiden sich sehr stark in ihren Leistungsumfängen. Nicht immer hat man als Tierbesitzer jedoch das Budget, sich für die teure Variante zu entscheiden. Ist eine günstige Tierkrankenversicherung besser, als gar keine abzuschließen?
  • Thomas Steidl: Das sehe ich schon so. Letztlich ist es aber eine individuelle Entscheidung. Wichtig wäre mir noch zu sagen, dass Transparenz nicht nur auf Seiten der Versicherer wichtig ist, sondern auch beim Versicherten! Wer im Versicherungsvertrag beispielsweise Vorerkrankungen seines Tieres verschweigt, macht sich strafbar!
  • Veteri: Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen eine Tierkrankenversicherung vielleicht sogar Leben retten konnte? Z. B. weil das Tier besonders aufwendige Behandlungen bekommen hat oder ohne die Kostenübernahme vielleicht sogar eingeschläfert hätte werden müssen?
  • Thomas Steidl: Bei uns in der Praxis bislang noch nicht, aber sicher sind solche Fälle denkbar. Sehen Sie: Eine Tierarztpraxis ist auch ein wirtschaftlicher Betrieb, man trägt für seine Mitarbeiter und deren Arbeitsplätze Verantwortung. Kostenlos kann kein Tierarzt behandeln – und das darf er auch gar nicht, dafür gibt es ja die Gebührenordnung für Tierärzte. Wir – und eigentlich alle meiner Kollegen – bieten aber Ratenzahlungen an. Gerade bei aufwendigen und kostenintensiven Behandlungen und Eingriffen ist das oft eine finanzielle Entlastung für unsere Kunden, die eben keine Tierkrankenversicherung abgeschlossen haben. Man muss nur ehrlich miteinander sprechen, dann ist das gar kein Problem.

Herr Dr. Steidl, vielen Dank für das Gespräch!